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Fünf Fragen an Günther Lehner und Ulrich Hierdeis, Pioniere in der bayerischen Lehrerfortbildung


Ulrich Hierdeis begann nach der Ernennung zum Schulleiter 2009 mit dem Aufbau einer didaktischen Struktur für medienpädagogische Bildung an seiner Schule. Er referiert seit dieser Zeit regelmäßig in Deutschland und Österreich zum Einsatz mobiler digitaler Endgeräte im Unterricht.

Im Schuljahr 2012/13 errichtete er die erste iPad-Klasse an einer Grundschule im Landkreis Augsburg. In regelmäßigen Abständen berät er Kolleg:innen verschiedener Schularten zu Ausstattungsmerkmalen und didaktischen Überlegungen im Rahmen der digitalen Bildung. Seit März 2019 arbeitet er in der zentralen bayerischen Lehrerfortbildung und ist dort mit Aufgaben rund um den „lernraum.zukunft“ und der Qualifizierung der informationstechnischen Berater Digitale Bildung betraut.

Günther Lehner studierte Kunstpädagogik und entwickelte als Schreiner Raumkonzepte zum Thema „Wohnen als begehbares Bild“. Er begann seine Laufbahn als Lehrer am Gymnasium.

2008 wurde er an der ALP in Dillingen Referatsleiter für Ästhetische Bildung, Theater, Film und Medien, auch in Kooperatiospartnerschaft mit dem BR, und zum Entwickler des “digitalen Klassenzimmers”.

Bereits 2011 entwickelte er erste IPad Lehrgänge an der ALP sowie ein Konzept für ein experimentelles Labor.

Seit 2012 ist er Autor im Oldenbourg Verlag, hält Keynotes zu Design Thinking, digitale Schulentwicklung und Lernumgebungen der Zukunft in ganz Deutschland. Er hat den physischen “lernraum.zukunft” an der ALP in Dillingen konzipiert und 2018 – 2020 umgesetzt.

Auf der Didacta 2024 haben Ulrich und Günther einen “virtuellen lernraum.zukunft” auf der Plattform RAUM gelauncht. Wir haben mit ihnen über den physischen und den virtuellen lernraum.zukunft gesprochen.

1.Starten wir mal physisch: Ihr habt in Dillingen einen Lernraum Zukunft. Was ist das Konzept dafür und was macht Ihr darin alles?

Kurz gesagt… Der lernraum.zukunft an der Akademie in Dillingen ist ein für das Lernen mit mobilen digitalen Geräten optimierter Raum. Er besteht aus einer Raumschale, die physikalisch in das historische Gebäude der ALP eingeschoben wurde, sie enthält die technische Infrastruktur, die Sound- und Präsentationssysteme sowie jegliche technische Möglichkeit WLAN-fähige Geräte mit dem Raum zu verbinden um darin kreativ zu arbeiten, zu präsentieren, ko-kreativ zusammenzuarbeiten, digitale Produkte und Medien zu erstellen, die für den Unterricht und für Lehr- und Lernszenarien eingesetzt werden können.

Weiterhin hat der lernraum.zukunft kein Vorne und kein Hinten, er bricht also die Gesetzmäßigkeiten eines gewöhnlichen Lernortes der Zentrierung auf eine Lehrperson. Es existieren keine Steckdosen und Schalter, keine Kabel und keine Dokumentenkameras, keine Boards oder irgendwelche in schulischen Klassenzimmern verwendeten Tools. Es gibt keine Tische mehr. Dennoch lässt sich dort jedwedes Lehr- und Lernszenario herstellen. Grund dafür ist der Ansatz eines völlig neuartigen Konzeptes, einen Raum zum Denkraum zu machen, den „Need“ also den Bedarf einer Lerngruppe zu eruieren und dafür in einem gebauten Prototypen Lernerfolge zu beobachten und Infrastruktur zu optimieren. Lernen wird räumlich neu definiert.

Die Besonderheit ist ein Raum-im -Raum-Konzept, ein Green-Screen-Kubus der fahrbar als Raumteiler, Makerspace oder 360-Grad-Greenscreen verwendet werden kann, ebenso als Tonstudio, für Filmaufnahmen, Erklärvideos usw. Für die Lernenden gibt es fahrbare Stühle.

Der Raum ist seit 2020 in das Lehrgangsgeschehen sämtlicher Fachrichtungen der ALP eingebunden und sehr gut besucht.

Um den lernraum.zukunft vielen Menschen zugänglich zu machen, wurde ein virtueller Zwilling davon entwickelt, der einige Funktionen mehr besitzt. Er lässt die Möglichkeit offen, virtuelle Lehrerfortbildung zu gestalten, immersive Raumerfahrungen zu machen und auf einer zweiten Ebene Räume selbst zu entwerfen. Dort befindet sich ein Gestaltungsbereich mit Möbeln zum selbst ausprobieren. Sämtliche Vorteile virtueller Begegnung und visuellen Lernens können dort problemlos und sanktionsfrei probiert und erstellte Raumszenarien später real umgesetzt werden.

Die Entwicklung folgte einem logischen Prinzip: Raummaße virtuell umsetzen, sämtliche Möglichkeiten der Erarbeitung von Lernszenarien zur Verfügung stellen (Video, Schreiben, Kommunikation, Immersion, Lernatmosphäre, Möbel, Geräte, etc.) und mit möglichst vielen Menschen zusammen ausprobieren.

Das Feedback auf der didacta wurde dadurch erreicht, dass vielen geladenen Gästen und tatsächlich Interessierten der Lernraum in täglich zwei slots gezeigt wurde. Dazu wurde auch an anderen Ständen Werbung gemacht und persönlich eigeladen. Medienbeauftragte, VR-Fans und Kolleginnen und Kollegen aus allen Bundesländern gaben einen bunten Reigen an unterschiedlichsten Reaktionen ab. Der Mainstream war der: Man zeigte sich enorm beeindruckt davon, dass es diesen Raum wirklich und real in Dillingen gibt, viele Interessierten sich für die Paramter, die zum Bau führten. Die virtuelle Version davon beeindruckte dadurch, dass der Zugang zum realen Raum gegeben wurde, man erste Versuche einer virtuellen Möglichkeit zu Fortbildungen und Raumerfahrungen erleben durfte und daraus ergaben sich weitreichende Gespräche über die Zukunft von Schulbau und die unterschiedlichen Aspekte des Lernen in der Zukunft.

2. Warum habt Ihr diesen lernraum.zukunft jetzt ins virtuelle übertragen und was habt Ihr darin vor?

Neben den gerade schon genannten Aspekten werden wir in einem nächsten Schritt innerhalb unseres Hauses unsere Kolleginnen und Kollegen mit dem Raum vertraut machen, so dass dieser auch für fachdidaktische Fortbildungen genutzt werden kann. Dadurch, dass sich 3D Objekte im Raum platzieren lassen, eröffnet das ganz neue Dimensionen des interaktiven Umgangs mit Lerngegenständen. Z. B. lassen sich Statuen oder andere antike Kunstwerke als Objekte in den Raum holen und mit begleitenden Impulsen diskutieren. Museumspädagogische Aspekte werden beispielsweise hierdurch erweitert und vermittelt. Auch andere Prozesse lassen sich mit den vorhandenen Objekten darstellen, die ich man gemeinsam auf einem vordefinierten Feld platzieren kann. In der Kollaboration und Kommunikation entstehen neue Lösungswege und Strategien, die die teilnehmenden Personen weiterbringen.

3. Wie habt Ihr den virtuellen Lernraum entwickelt: welche Programme habt Ihr verwendet, was hat Euch Schmerzen verursacht, – was lief gut?

Mit einem Bildbearbeitungsprogramm wurde eine Skizze des grundlegenden Designs erstellt, welche im Laufe des Prozesses vereinfacht wurde, da das Design für die zur Verfügung stehende Zeit zu umfangreich war.

Der grobe Aufbau der Location wurde in einer Spieleentwicklungsumgebung als 3D-Prototyp erstellt. Daraufhin wurde in einer 3D-Grafiksoftware der Lernraum in genauerem Detail in 3D nachgebaut. Es folgten weitere Gebäudeteile wie das große erste Stockwerk zum kreativen Arbeiten, die Inseln mit Sonnensegeln als weitere isolierte Arbeitsumgebungen und das Theater mit großer Präsentationsfläche.

In Abstimmung mit dem Betreiber der Plattform wurden in mehreren Iterationen die 3D-Modelle der Gebäude nachgebessert, um versteckte Fehler und Inkompatibilitäten zu beseitigen, die bei der Umsetzung erkennbar wurden. Dieses Verfahren wurde solange durchgeführt, bis das Aussehen der Location zufriedenstellend war.

Nachfolgend wurden die interaktiven 3D Möbel auf Basis von Günther Lehners Skizzen in 3D modelliert und in die fertige Location hochgeladen. So stehen diese allen Usern unserer Umgebung zur Nutzung bereit.

Die Gamedesignerin Daniela Rudzanova und die 3D-Zeichnerin Anne-Kathrin Luca setzten gekonnt Raum, Inventar, Möbel und programmierte Möglichkeiten um. Im Hinterkopf entstand auch die Idee, eine Lernspielumgebung rund um den Lernraum einzupflegen, um Motivation zum Erfahren des Raumes zu erzeugen.

4. Wie war der virtuelle Rundgang zum Launch des Raumes auf der Didacta für Euch? Habt Ihr auch sonst am Stand vielen den Lernraum zeigen können? Wie war das Feedback?

Für uns war die didacta insofern bereichernd, als wir dort viele interessierte Menschen getroffen haben. Wir konnten über einen Bildschirm einerseits Zuschauer einen Eindruck des Arbeitens im lernraum.zukunftVR vermitteln, andererseits konnten einige Personen über unsere mitgebrachten VR-Brillen aktiv in den virtuellen Raum einsteigen. Ein Teilnehmer meinte nach dem Besuch im virtuellen Raum zu mir: „Ich wusste ja, dass Bayern in Bildungsangelegenheiten anderen Bundesländern voraus ist, aber dieser Raum hier, damit seid ihr ja noch viel weiter vorne.“ Andere Personen waren schlicht und ergreifend vom aktivierenden Workshopaufbau und den sich ergebenden Möglichkeiten angetan.

Solche Komplimente sind natürlich erfreulich, unsere Perspektive ist es aber, auf möglichst vielen Ebenen Lehrkräften Fortbildung zu ermöglichen. An der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung gibt es die unterschiedlichsten Formate, von der eSession über Moderierte Onlineformate zu Selbstlernkursen bis zu Präsenzformaten, die uns so einzigartig in der Bildungslandschaft machen. Diese Angebotsvielfalt wird nun mit dem lernraum.zukunftVR erweitert.


5. Was plant Ihr als nächstes an der ALP im Bereich Metaverse und XR?

Wie bereits erwähnt, möchten wir unseren lernraum.zukunftVR im nächsten Schritt etablieren und breiter bekannt machen. Wir denken, dass vor allem im Austausch der Menschen in den dort stattfindenden Arbeitsprozessen und Workshops viel Potential steckt, das es zu entdecken gilt. Es wird sicher großartig, unseren Raum in der bayerischen Lehrkräftefortbildung zu nutzen. Möglicherweise entstehen ja dort die zukünftigen analogen und virtuellen Lernräume, denn weitere Möglichkeiten der Einrichtung, der Bedienbarkeit und der Gamifikation sind planerisch im Anschlag!

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