Kunst & Kultur

We are VR?


Inklusives Design von Virtual Reality Experiences für Kunstvermittlung, Musik und Gamedesign

Mixed Reality Technologien sind als dreidimensionale Erlebnis- und Gestaltungsräume vielseitig einsetzbar und faszinierend in ihrem Potential auch für kulturelle Bildungsangebote. Ob hybrider oder immersiver Erfahrungsraum – als kinästhetisches Medium par excellence wird der Körper zum Interface und Navigationsinstrument. Wir verschmelzen im Präsenzerlebnis mit virtuellen Avataren und tauchen im Flow-Erlebnis in virtuelle Welten ein z.B. eine virtuelle Kunstausstellung oder die virtuelle Rekonstruktion von Weltkulturerbe (Hoppe et al 2020[1], Guo-Qiang 2020)[2].

Die Frage, wer sich in diesem Satz sich mit “Wir” angesprochen fühlen könnte, und wer andererseits von Virtual Reality (VR) – Erlebnissen auf vielfältige Art und Weise ausgeschlossen wird, ist Kern inklusiver Fragestellungen. Wie Virtual Reality Technologien, Experiences und SocialVR-Plattformen inklusiv ausgerichtet werden können, wird in diesem Beitrag anhand von Beispielen zwischen Kunstvermittlung, Musik und Game Design beleuchtet.

Die Gestaltung von VR-Technologien mit inklusiven Desideraten ist eine zentrale Herausforderung. Als primär visuell-auditives Medium mit 3D- Räumen und kinästhetischem Interface, in welchem überwiegend durch Körperbewegungen navigiert wird, sind noch einige Hürden für inklusives Design von immersiven Technologien zu nehmen.

Können Reize für Menschen mit ADHS reduziert werden? Können Nutzer:innen mit körperlichen Beeinträchtigungen das Headset selbst anlegen und justieren? Können Avatare in SocialVR bzw. Multiplayer:innenformaten via Gebärdensprache artikulieren und sich auch über Mimik/Körper und Handformen ausdrücken?[3]

Menschen mit Seh- und Hörbeeinträchtigung und Bewegungseinschränkungen können an VR-Experiences nur mit entsprechenden Input- bzw. Outputmodalitäten teilhaben. Alternative Inputvarianten wie Eye tracking (statt Controller-Navigation), Voice-command oder Untertitel sind als inklusive Meilensteine erst in Ansätzen je nach VR-Experience umgesetzt.

Auch Diversität in Kognition und Verarbeitung von VR-Experiences gilt es zu berücksichtigen. Es gibt hier eine Reihe von Forschungspositionen, wie auch für diese Zielgruppe eine ein gelungenes Erlebnis virtueller Ausstellungen angeboten werden kann (De Luca, 2023). Reduktion von Cybersickness (etwa durch Varianten der Navigation) oder VR-designspezifisch unterschiedlich hohe kognitive Belastung (Frederiksen, 2020) sind weiterhin essentielle Aspekte für inklusives VR-Design. Mit Vermittlungskonzepten zwischen VR und taktilen Installationen werden auch verstärkt haptische Sinne angesprochen und letztendlich auch für Nutzer*innen mit Sehbeeinträchtigung Barrieren abgebaut (Alcantara/Space Popular 2022).[4]

Auch Neurodiversität in der Verarbeitung von virtuellen Erlebnissen gilt es zu berücksichtigen. Hier gibt es eine Reihe von Studien mit Produktentwicklung wie für Kinder und Jugendliche mit ADHS spezifisch Games entwickelt werden (vgl. Cardona-Reyes, 2021) u.a. auch inspiriert von BeatSaber in VR und ADHS-spezifischer Ausrichtung in einer Studie mit Schüler:innen und kollaborativem Gamedesign (MacKay, 2022).[5]

Inklusive Bedarfe sind sehr vielfältig und etwa am Beispiel von Senior:innen – durchaus heterogen. Designempfehlungen für VR sind besonders wertvoll – etwa was die Heranführung und Vermittlung von Sicherheitsvorkehrungen anbelangt. VR-Nutzung im Sitzen oder Augmented Relaity Headsets wären empfehlenswert für die stabile Orientierung im Realraum (vs. Nausea/Stolpergefahr). Ziel von Inklusion in diesem Sinne ist auch dem Gray Gap – Ausschluss von Senior:innen von Nutzung der Technologien und entsprechender sozialer Spaltung entgegenzuwirken (Pang/Cheng, 2023).

Inwiefern passen Mixed Reality Technologien auch auf der Hardware-ebene, von Head Mounted Display bis projektiver Virtual Reality (Computer Animated Virtual Environments) zu inklusiven Visionen? Projektive VR (Aktuell Klimt`s Kuss im Utopia in München) [6] und browserbasierte Lösungen sind als Alternativen zu Head Mounted Display auch im Zeichen der Inklusion empfehlenswert. Während die Altersempfehlung für Head Mounted Displays bei 12-13 Jahren liegt, können auch Kinder hier in immersive Welten eintauchen. Es können auch ergänzend inklusive Desiderate umgesetzt werden z.B. für taube Besucher*innen eine Führung in Gebärdensprache (Museum Signers, GMU München).[7] 

Ästhetik und Repräsentation von Diversität passt darüber hinaus ebenso zu einer erweiterten Auffassung Inklusion. Gestaltung von Avataren und Diversität im Sinne der Repräsentation von Menschen mit Beeinträchtigung aber auch alters- oder genderspezifsche Normierungen ist zu berücksichtigen. Avatare mit hyper-perfekter Haut und Beach Body oder auch Dehnungsstreifen und Plus Size (House of Blueberry)[8] wären hier ein entsprechendes Beispiel für körperliche Vielfalt auf dem Weg zu einem Metaverse im Zeichen der Inklusion.[9] Diversität in Avatardesign und Virtuelle Erinnerungskultur zu Black History sind weitere Beispiele zwischen Diversität und Repräsentation im Metaverse mit Events und Ausstellungen (Gabe Gault/Meta/Horizon: I am a Man 2022).[10]

Insgesamt sind Forschungspositionen zu Diagnose und Therapie bis dato stärker vertreten als die Erarbeitung von Inklusiven Designprinzipien. Etwa die Diagnose von ADHS via Eye Tracking in VR-Szenarien (Merzon et al, 2022). Hier könnten neben der Anwendung als Diagnoseinstrument auch konkrete Designempfehlungen für VR entwickelt werden. Im komplexen VR-Ökosystem ist die Herausforderung zwischen Empfehlung und Verbindlichkeit, supranationalen Konzernen und diversen Gatekeepern eine Herausforderung für die einheitliche Umsetzung inklusiven VR-Designs. Notwendig sind hier Strategien, welche inklusives Design, grundlegend auch den Zugang zu VR-Technolgoien aber letztendlich auch Nutzer:innen und digitale Souveränität stärken.[11] Die Arbeit von Medienpädagog:innen bei Jugend hackt (Open Knowledge Foundation) trägt hier konkret auch zur Umsetzung bei, etwa was Geschlechterdiversität einerseits und digitale Souveränität in den vielfältigen Bildungsinitiativen betrifft.[12]

Das VR- Action-Adventure-Puzzlespiel Moss (Polyarc) ist ein Beispiel für inklusives VR-Design auf mehreren Ebenen. Es ist jetzt auch in Gebärdensprache (American Sign Language) abrufbar bzw. sind auch in die Landschaft eingebettete Untertitel aktivierbar [13]. Die Navigation ist durch die Top Down Perspektive als Jump`n`Run Game auch eher für Nutzer:innen mit Neigung zu Cyber Sickness empfehlenswert.

Als konkretes Beispiel für inklusives VR-Design und Musik Experiences sind WIDE HORIZON FILMS (Michael Gamböck und Franziska Hauber und Tom Simonetti) zu nennen. In Zusammenarbeit mit dem Förderzentrum Hören und mit Franziska Hauber`s eigener Lebenserfahrung (Trägerin Cochlear Implantat) wurden inklusive 360° VR-Musikprojekte umgesetzt. In Echo A Sonic Sphere[14] folgen wir der Nadel auf einer Vinylscheibe bis hin zur virtuosen Auflösung in Abstraktion und Farbwelten. Mit Grafikdesign von Anna Verwohlt als Grundlage wird Musik visuell übersetzt (Iquitos Bird)[15] Das Projekt Waterdome ist als hier als besonders innovatives Projekt zwischen Performance im öffentlichen Raum und einer 360°-VR zum Thema Wasser und Nachhaltigkeit zu nennen.[16]

Die Erarbeitung von VR-Szenarien mit dem Ziel inklusiver Kunst-/Kulturvermittlung kann insgesamt als Forschungs- und Entwicklungsdesiderat im VR-Ökosystem festgehalten werden. Hard- und Softwareentwicklung via Kollaboration und Kokreation (Lean Design-Konzepte/Design Based Thinking) sollte immer auf Augenhöhe und mit medienethischer Reflexion vollzogen werden. Für die Vision einer inklusiven Gesellschaft und auch barrierefreiem Zugang zu Kunst sind die Passung von Angeboten kultureller Bildung in VR und Bedürfnissen von Nutzer*innen in ihrer Diversität ganz besonders entscheidend. Verbinden wir Keith Haring und seiner Vision: Art is for everyone – mit der Zielsetzung von inklusivem VR-Design, so gibt es definitiv noch ein paar Entwicklungsschleifen auf dem Weg dahin.

https://fashionunited.uk/news/fashion/behind-house-of-blueberry-the-brand-bringing-inclusivity-to-the-digital-fashion-world/2023012967553

Cardona-Reyes, H., Lorena Barba-Gonzalez, M., Munoz-Arteaga, J., Gonzalez-Romo, I., & Alvarez-Rodriguez, F. (2020). Natural Interfaces to Support ADHD in Virtual Reality Environments. 2020 3rd International Conference of Inclusive Technology and Education (CONTIE), 20–27. https://doi.org/10.1109/CONTIE51334.2020.00013

De Luca V, Gatto C, Liaci S, Corchia L, Chiarello S, Faggiano F, Sumerano G, De Paolis LT. Virtual Reality and Spatial Augmented Reality for Social Inclusion: The “Includiamoci” Project. Information. 2023; 14(1):38. https://doi.org/10.3390/info14010038

Frederiksen, J. G., Sørensen, S. M. D., Konge, L., Svendsen, M. B. S., Nobel-Jørgensen, M., Bjerrum, F., & Andersen, S. A. W. (2020). Cognitive load and performance in immersive virtual reality versus conventional virtual reality simulation training of laparoscopic surgery: a randomized trial. Surgical endoscopy, 34(3), 1244–1252. https://doi.org/10.1007/s00464-019-06887-8

Haring, K. (2010). Keith Haring journals. Penguin Group.

Hoppe, S., Locher, H., Burioni, M., Eikema Hommes, M. V., Pottasch, C., Rode, J. V., Moor, L. D., Hanschke, J., Leipold, F., Lutteroth, J.-E., Grellert, M., Drost, L., Grams, F., Hofstetter, A., März, M., Rehbein, M., Sauer, T., Schilz, A., Maxzin, J., … Schwartz, F. (2020). Digitale Raumdarstellung. arthistoricum.net. https://doi.org/10.11588/ARTHISTORICUM.774

MacKay, J. “Involving children in the design process of VR games aimed at improving attention in children with ADHD.” (2022). https://ir.canterbury.ac.nz/bitstream/handle/10092/104451/MacKay%2c%20James_MHIT%20Thesis.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Merzon, L., Pettersson, K., Aronen, E. T., Huhdanpää, H., Seesjärvi, E., Henriksson, L., … & Salmi, J. (2022). Eye movement behavior in a real-world virtual reality task reveals ADHD in children. Scientific Reports, 12(1), 20308.


[1] Hoppe, Stephan, Locher, Hubert und Burioni, Matteo (Hrsg.): Digitale Raumdarstellung: Barocke Deckenmalerei und Virtual Reality https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/catalog/book/774

[2] Cai Guo-Qiang: Sleepwalking in the Forbidden City (HTC Vive) https://jingculturecrypto.com/cai-guo-qiang-vr-palace-museum/

[3] https://www.youtube.com/watch?v=A-vYOlN5qQY

[4] https://www.frameweb.com/article/shows/virtual-reality-gets-a-tactile-counterpart-at-a-phygital-space-popular-exhibition

[5] https://ir.canterbury.ac.nz/bitstream/handle/10092/104451/MacKay%2c%20James_MHIT%20Thesis.pdf?sequence=1&isAllowed=y

[6] https://www.utopia-munich.com/klimtskuss

[7] https://www.gmu.de/museum-signers/

[8] https://observer.com/2022/10/house-of-blueberry-has-been-outfitting-digital-avatars-for-a-decade/

[10] https://www.facebook.com/watch/?v=257338886584346

[11] https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/vrar-industrial-coalition-main-identified-challenges-and-opportunities-faced-eu-vrar-industry

[12] https://jugendhackt.org/blog/unser-erster-diversity-workshop/

[13] https://www.youtube.com/channel/UCZP7uyEAKu9uK95aNXBUDhA

[14] https://hsa.incom.org/project/1225

[15] https://www.youtube.com/watch?v=ihzBSADE3cY

[16] https://youtu.be/o6q3IQt72v4

Über den Autor

Geschrieben von:

Reginas Forschungsschwerpunkte sind Medien-/Kunstpädagogik und Sozialpädagogische Handlungskontexte. Sie beschäftigt sich mit Fragen Digitaler Transformation in Bildungskontexten und partizipativer Teilhabe der Mitgestaltung dieser. Ihre Themen sind u.a. MedienKunstPädagogik unter Einbezug von Augmented und Virtual Reality sowie Kryptotechnologie und -kunst. Mehr unter: https://www.reginabaeck.de/

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