Kunst & Kultur

Kochen in Hybrid. Ein Erfahrungsbericht.


Am 21. Oktober 2021 werden im DE:HIVE, der Forschungseinrichtung des Studiengangs Game Design, die Stühle zurechtgerückt und die letzten Falten aus dem Greenscreen gezupft …

„Wir sind online“, heißt es vom Technikpult und das bedeutet, dass wir uns jetzt nicht nur vor einer grünen Wand im zweiten Stock eines Universitätsgebäudes befinden, sondern zeitgleich im australischen Outback um einen Feuerplatz sitzen. Unreal Engine sei Dank. Und dass es Menschen gibt, die uns dort im Outback von zu Hause aus zu sehen. Wir sind das Team von cross:play, einem interdisziplinären Wissenstransferprojekt und unsere Gäste am heutigen Abend sind Franziska Ritter und Pablo Dornhege vom Projekt (Im)material Theatre Spaces der deutschen Theatertechnischen Gesellschaft und Jules Pommier Game Designer. Wir werden gemeinsam über die Möglichkeiten von hybriden Räumen für Theateraufführungen und Game Experiences sprechen. Und versuchen, gemeinsam zu kochen.

Das Publikum vor Ort blickt erwartungsvoll zum grünen Rundhorizont, vor dem die Gäste Platz genommen haben. „Herzlich willkommen zu unserem Experiment! Legen Sie bitte ihre mitgebrachte Zutat hier vor uns auf dem kleinen Tischchen ab, damit die Leute im Stream sie auch sehen können.“ Einzelne kommen nach vorne und legen ihre Zutaten ab: ein Kürbis, eine Birne, einmal Instant Nudeln.

„Alle auf Twitch: Bitte schickt uns Beschreibungen, von euren Zutaten, die wir erraten können.“ Im weiteren Verlauf wird „Eine leicht stachelige, süße Frucht, die in einen Pina Colada kommt“ so zu einer Ananas, die sich im Outback der Engine manifestiert.

Ein Potluck-Dinner ist ein Überraschungsessen. Es entsteht aus den willkürlich mitgebrachten Zutaten seiner Teilnehmer:innen und die Kunst besteht darin, aus dem, was da ist, spontan etwas Schmackhaftes zuzubereiten. Also vor allem darin, schnelle gemeinsame Rezept-Entscheidungen zu treffen. Und hier liegt das Experiment. Wie können wir über digitale und analoge Räume hinweg gemeinsam interagieren und entscheiden?

Vier Personen bedienen und gestalten den Online Raum. Søren Krahl sorgt für Ton, Sebastian Plesch für wechselnde Kameraperspektiven, David Witzgall für das australische Outback in Unreal Engine (und den langsamen Sonnenuntergang) und Max Warsinke betreut den Chat.

(c) DE:HIVE

Die Twitch Zuschauenden bleiben anonym. Auf dem Monitor vor Ort sehen wir nur ihre Kommentare und ihre Namen. Sie können drauflosschreiben, wann sie wollen. Während wir vom Publikum nur die Körper sehen und jede Wortmeldung sehr höflich nur nach Aufforderung passiert.

„Könnte jemand bitte Feuerholz für unser Lagerfeuer bringen?“ Die Teilnehmer:innen vor Ort bringen Holzscheite zu den Gästen, die diese vorsichtig unter dem Kochtopf aufschichten. Zum Stichwort „Bühnenzauber“ performen Franziska Ritter und Pablo Dornhege ein Ritual und David Witzgall setzt auf Unreal das Feuer virtuell in Brand.

Fortan köchelt es im virtuellen Kochtopf und auch wir im Raum hören das Knistern und Blubbern der Game Engine. Der Geruch von Essen bleibt allerdings vor Ort genauso aus wie digital. Sinnliche Erfahrungen hybrid zu übertragen, ist schwierig. Wir alle haben nur unsere Vorstellungswelt und müssen uns das „leckere riechen“ ausmalen, wie im Theater. Dass es allerdings Spaß macht, sich selber und anderen etwas vorzumachen und dass hybride Räume hierfür mannigfaltige Gelegenheiten bieten, hat dieser Abend gezeigt.

Wer die Diskussion in Gänze verfolgen möchte, um herauszufinden, wie es sich anfühlt, gemeinsam zu Musik in VR einen Raum zu gestalten oder warum es vor jeder Theaterinszenierung mit Technik eine jahrmarktähnliche Technik-Ausprobierstation geben sollte, kann hier das komplette Video sehen:

cross:play war ein zweieinhalbjähriges Wissenstransferprojekt am DE:HIVE Gamehub des Studiengangs Game Design an der HTW Berlin und bot Kreativschaffenden Möglichkeiten, die Potenziale digitaler Erlebnistechnologien in Laboren, Beratungen und Workshops gemeinsam auszutesten.

cross:play wurde gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des Programms „Stärkung des Innovationspotentials in der Kultur – INP II” der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

Über den Autor

Geschrieben von:

Anna Hentschel ist Künstlerin und Raumstrategin und konzipierte von 2021-2023 Wissenstransfer Formate im Projekt cross:play des Studiengangs Game Design an der HTW Berlin.

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