Kunst & Kultur

Fünf Fragen an Nina Schuster und Dr. Fabrizio Palmas


Das VR-Erlebnis „Der Freisinger Domberg” im Diözesanmuseum in Freising – Innovative Technologie trifft auf historische Vermittlung

Das Diözesanmuseum in Freising als eines der größten religionsgeschichtlichen Museen weltweit präsentiert seit seiner Wiedereröffnung im Oktober 2022 nicht nur Objekte aus den Bereichen kirchlicher Kunst und Kultur, sondern es hat auch zeitgenössische Künstler:innen eingeladen, Werke für das Museum zu schaffen, so z.B. haben der US-amerikanische Künstler James Turrell in der ehemaligen Hauskapelle einen Lichtraum kreiert, die belgische Bildhauerin Berlinde De Bruyckere eine Bronzeskulptur und die amerikanische Künstlerin Kiki Smith einen Sakralraum im Außenbereich des Museums geschaffen.

Und die Geschichte des Dombergs lässt sich nun auch immersiv in Virtual Reality erleben. Wir haben mit Nina Schuster vom Team des Diözesanmuseums Freising sowie mit Dr. Fabrizio Palmas, der das Projekt federführend entwickelt und umgesetzt hat, gesprochen.

1_Wie entstand die Idee für „Der Freisinger Domberg – das VR-Erlebnis“?

Nina Schuster: Die Idee entstand im Zuge archäologischer Entdeckungen bei den Umbauarbeiten am Freisinger Domplatz. Diese Funde sollten in die Ausstellung „724. Männer. Macht. Geschichten“ integriert werden. Anstatt die neu gewonnen Erkenntnisse „nur“ klassisch zu präsentieren, entwickelten wir gemeinsam mit Dr. Fabrizio Palmas den innovativen Ansatz, die Geschichte des Dombergs als interaktives VR-Erlebnis erlebbar zu machen.

Der Erfolg dieses Projekts wurde durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Team von Dr. Palmas und unseren Kuratorinnen, Dr. Anna-Laura de la Iglesia und Dr. Carmen Roll, sichergestellt. Gemeinsam wurde eine immersive, wissenschaftlich fundierte und geschichtstreue Welt geschaffen, die den barocken Ehrenhof der Bischofsresidenz unter Fürstbischof Albrecht Sigismund von Bayern erlebbar macht.

Auch die technische Umsetzung war eine beeindruckende Teamleistung: Von den ersten Vor-Ort-Besichtigungen zur Evaluierung der technischen Möglichkeiten bis hin zur finalen Umsetzung koordinierten wir gemeinsam mit Dr. Fabrizio Palmas das gesamte Projekt. Die 3D-Gestaltung lag in den Händen von Marcel Rühmer, während Stefan Laimer als Lead-Entwickler die technische Umsetzung verantwortete. Florian Sturm entwickelte die Design-Dokumente und Storyboards, die als Grundlage für das VR-Erlebnis dienten.

Die Auswahl der Sprecherinnen für die gesamte Ausstellung erfolgte überSchauspielerinnen der Agentur Scenario. Für das VR-Erlebnis wurde der renommierte Schauspieler Michael Brandner als Stimme der historischen Führung ausgewählt, wodurch die virtuelle Zeitreise eine besonders atmosphärische Begleitung erhielt.

Michael Brandner, Dr. Christoph Kürzeder, Karin Brandner, Renate Thalhammer-Herrmann, Prof. Dr. Marc Aeilko Aris, Dr. Florian Herrmann MdL, Dr. Fabrizio Palmas

2. Welche Herausforderungen gab es bei der Entwicklung der VR-Anwendung und was sehen Sie als größten Erfolg des Projekts?

Dr. Fabrizio Palmas: Eine der größten Herausforderungen bestand darin, VR-Technologie in ein klassisches Ausstellungskonzept zu integrieren. Anfänglich erschien die Verbindung von modernster digitaler Technik mit historischer Vermittlung widersprüchlich, doch schnell wurde deutlich, dass VR ein einzigartiges „Portal in die Vergangenheit“ darstellt. Es macht Geschichte lebendig und greifbar – insbesondere für ein breiteres Publikum, das über traditionelle Darstellungsformen schwer zu erreichen wäre.

Ein weiterer entscheidender Aspekt war die Gestaltung einer benutzerfreundlichen User Experience. Um das Erlebnis für eine möglichst breite Zielgruppe zugänglich zu machen, wurde eine intuitive und einfache Steuerung gewählt. Dadurch kann die VR-Anwendung reibungslos von Menschen aller Altersgruppen genutzt werden, was die Immersion zusätzlich verstärkt.

Nina Schuster: Die Steuerung über Blickkontakt ermöglicht einen barrierefreien Zugang für die Nutzerinnen. Dieser inklusive Ansatz war für das gesamte Team zentraler Ausgangspunkt und die positive Resonanz des Publikums bestätigt den Erfolg. Die knappe Entwicklungszeit stellte eine Herausforderung dar, da zwischen der wissenschaftlichen Analyse historischer Quellen und der finalen Umsetzung für die Ausstellung wenig Spielraum blieb. Dank der effizienten und zielgerichteten Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte das VR-Erlebnis jedoch erfolgreich realisiert werden.

3. Gab es Aspekte, die nicht umgesetzt werden konnten?

Dr. Fabrizio Palmas: Wie bei jedem kreativen und technologisch anspruchsvollen Projekt gab es Ideen, die aus Zeit- oder Budgetgründen nicht realisiert werden konnten. Ursprünglich war geplant, neben dem Domplatz auch das Innere des Doms in verschiedenen Epochen darzustellen. Dies hätte jedoch den grafischen und konzeptionellen Aufwand erheblich gesteigert.

Zudem mussten einige Szenen aufgrund unterschiedlicher historischer Quellen verworfen werden. Uns war es wichtig, eine wissenschaftlich fundierte und möglichst authentische VR-Erfahrung zu schaffen. Daher haben wir bewusst darauf verzichtet, spekulative Darstellungen zu integrieren.

4. Welche Rolle spielt VR für Museen und historische Orte in der Zukunft?

Dr. Fabrizio Palmas: VR-Technologie eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die historische Vermittlung. Nutzer:innen können aktiv in vergangene Epochen eintauchen, Geschichte aus einer neuen Perspektive erleben und sich interaktiv durch rekonstruierte Orte bewegen. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Barrierefreiheit: VR ermöglicht es Besuchern, Orte virtuell zu erkunden, die physisch schwer oder gar nicht zugänglich sind – sei es aufgrund von Treppen, langen Wegen oder anderen baulichen Hindernissen.

Ein Blick ins virtuelle Erlebnis: Eine Aufnahme aus dem VR-Erlebnis am Freisinger Domberg.

Nina Schuster: Das Diözesanmuseum konnte durch dieses erste Projekt die Technologie intensiv kennenlernen und ihr Potenzial bewerten. Die Möglichkeiten sind enorm: In Zukunft könnten weitere historische Aspekte des Dombergs in das VR-Erlebnis integriert und weiterentwickelt werden.

5. Wie sind die Erfahrungen des Publikums und wie kann man das Projekt erleben?

Nina Schuster: Die bisherigen Rückmeldungen des Publikums waren durchweg positiv. Wer das VR-Erlebnis selbst ausprobieren möchte, kann es direkt am Info-Point im Marstall auf dem Domplatz kostenfrei nutzen und eine einzigartige Zeitreise in die Vergangenheit erleben. Mehr Infos dazu finden sich hier.

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